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Sandeep Bhagwati über seine Komposition "Rasas"
„’Rasas’ ist ein Begriff aus der indischen Ästhetik. Er bezeichnet die einzelnen emotionalen Grundkomponenten eines jeden Kunstwerkes – Wut, Seligkeit, Eros etc. ‚Rasas’ besteht in seiner globalsten Struktur aus einem Kosmos von 64 Klang-Inseln und 161 Brücken. Diese sind in Form einer rhombischen Matrix miteinander verknüpft. Jedes Klang-Archipel hat seine individuelle Instrumentation und Struktur – und seinen eigenen rasa. Diesen Klangkosmos aus 225 Teilen wird wohl keine Aufführung von ‚Rasas’ je ausschreiten (nimmt man nur an, dass die Teile durchschnittlich 2,5 Minuten dauern, dann wäre eine solche Aufführung fast 10 Stunden lang). Dies ist aber auch nicht der Sinn dieser Matrix: Sondern jedes aufführende Ensemble realisiert idealerweise für jede Aufführung seinen eigenen Weg durch die Matrix dieses Werkes. Diese Aufführung ist nach der Uraufführung dieses Jahr in Frankfurt der zweite realisierte Pfad.

Drei Grundhaltungen kennzeichnen die Musik ‚Rasas’: 1. Stil ist hier weder Zitat noch semantische Anspielung, sondern Konstruktionselement eines Kosmos aus klaren Gefühlen – weil viele Gefühle im Laufe der Musikgeschichte sich mit bestimmten Stilen verbunden haben, wird man viele ‚alte Bekannte’ hören. 2. Improvisation ist genauso wichtig wie Komposition. Fast jedes einzelne Element besteht zu einem klar umrissenen Prozentsatz aus Komponiertem und Improvisiertem. Die Musiker werden auf immer wieder neuen Ebenen aufgefordert, ihre eigenen Entscheidungen im Kontext des rasa zu treffen – hier ist ihr Musizieren dem indischen verwandt. 3. ‚Rasas’ ist nicht kohärent, will nirgendwohin, hat keine wichtige musikalische Aussage, keine ideologische Heimat und beansprucht nicht, Neue Musik zu sein. Stattdessen will es den wahrnehmenden Hörer, der nicht Leistungen erwartet, sondern sich über Geschenke freut, beschenken mit einem Reichtum an Tonfällen, Gesten, Gefühlen, Gedanken – ohne Verpflichtung zur deutschen Tiefe.“