I) Das Konzept II) Das Programm I) Konzept
Mit transonic folgt das Haus der Kulturen der Welt seinem zentralen Auftrag, der Förderung des Dialogs zwischen außereuropäischen und westlichen Kulturen. Längst geht es nicht mehr um die Präsentation einer anderen Kultur in Form von Konzerten, Ausstellungen oder Theateraufführungen, sondern um die Entwicklung von neuen Projekten im Grenzbereich zwischen den Kulturen und Genres. Dafür steht im Bereich der Performing Arts das Festival In Transit, im Bereich der Neuen Medien die Transmediale und der neu entwickelte Talent Campus in Kooperation mit der Berlinale. Und im Bereich der Musik der seit 1998 mit dem Jazz-Gitarristen Jean-Paul Bourelly erfolgreich durchgeführte Backroom oder das Innovative Music Meeting, in dem der Berliner Musiker Rajesh Mehta mit dem Cellisten Rohan de Saram und dem Mrdangam-Spieler Trichy Sankaram einen neuen Raum zwischen den Traditionen westlicher Avantgarde, südindischer Improvisation und Jazz erforschten. Transonic ist das neue Produktionsforum für diese aktuelle Entwicklung in der Musikszene, Experimentierfeld ohne Festlegungen auf Kategorien wie Neue Musik, Jazz oder Weltmusik. In Kooperation mit Musikern wie Gene Coleman, Liu Sola oder Yoshihide Otomo geht es um die radikale Befragung von Traditionen und von kulturpolitischen Festlegungen wie der Vorherrschaft einer universalistisch denkenden West-Avantgarde. In transonic ist es möglich, dass sich nach klassischem Vorbild ausgebildete chinesische Solisten mit dem Blues der Chicagoer Jazz-Szene konfrontieren oder Yoshihide Otomo in seinen mikrotonalen Recherchen den Begriff von musikalischer Wahrnehmung aufbricht. Aus der Begegnung zwischen den Musikwelten entstehen gleichsam an einem Nullpunkt der Musik neue Tonfelder. Dabei geht es nicht um Fusionen. Es geht um die möglichst differenzierte Auseinandersetzung zwischen historisch gewachsenen Kompositions- und Improvisationsformen (wie der japanischen Hofmusik Gagaku) oder höchst individualisierten zeitgenössischen Positionen. Dabei stellt sich die Frage, in welchen Formen Musiker und Komponisten aus verschiedenen kulturellen und ästhetischen Traditionen an neuen Musiksprachen arbeiten können, ohne den anderen für eine eigene, zumeist westliche Sprache zu vereinnahmen? Das Ziel solcher offenen Experimentierfelder ist eindeutig die Entwicklung neuer ästhetischer Formen, die radikale Reflexion auf die eigenen Produktions- und Wahrnehmungsformen, auf das eigene Unbewusste. Der Absolutheitsanspruch der westlichen Avantgarde wurde lange Zeit ausgeblendet, rückt heute aber mehr und mehr in das Zentrum von Kunstpraxis und Theorie. Der deutsch-indische Komponist Sandeep Bhagwati hat diese Hidden Agendas westlicher Avantgarde, so die Exotisierung anderer klassischer Traditionen oder die universalistische Vereinnahmungsstrategie der Moderne, für die aktuelle Kunstproduktion herausgearbeitet. Die daraus resultierende Neuordnung der Beziehungen zwischen verschiedenen Musikkulturen in der Welt hat auch zu neuen künstlerischen Entwicklungen geführt. Dabei schafft die experimentelle Musik einen Raum, in dem die Unterschiede zwischen westlicher und östlicher Musiktradition an Bedeutung verlieren. Erinnert sei hier an Dieter Schnebels Kritik des westlichen Universalismus: «So begann die universalistische Sprache der Neuen Musik doch besonders zu tönen und exotisch zu schillern, jedoch ohne dass die Musiksprache der anderen Kulturen selbst einbezogen wurde. Allerdings besannen sich in einer späteren Phase der neuen Weltmusik einzelne Komponisten doch wieder auf den Sprachschatz der eigenen Kultur etwa der Koreaner Isang Yun, der Japaner Maki Ishii, der Pole Zygmunt Krauze, der Spanier Carlos Santes.» (a.a.O., S.166) Während John Cage mit seiner Japan-Rezeption einen Gegendiskurs zum westlichen Denken versuchte, gehören Künstler wie Isang Yun oder Nam June Paik zu denjenigen, die den westlichen Diskursen andere Konzepte der Zeit, der Begrifflichkeit von Ton, Komposition und Sprache entgegenstellten, immer noch als Teil der westlichen Moderne. Hier zeigt sich, daß die westliche Moderne seit den 60er und 70er Jahren zusehends eine Koproduktion bedeutete mit den außereuropäischen Kulturen. Die vielfachen Verschichtungen von Moderne und lokalen Traditionen, von Avantgarde und Archaik, von Spiritualität und Rationalismus, von politischem Engagement und ästhetischer Sprache, von Humanismus und Emanzipation, sie zeigen sich als einzigartiger transkultureller Prozess. Nicht mehr die futuristische Weltsprache, die von traditionellen Festlegungen oder lokalen Tönungen unabhängig war, ist heute das Ziel, sondern ein offenes Tonfeld, in dem sich auf einer experimentellen Ebene die Musiker aus Asien, Europa und den USA begegnen. Johannes Odenthal II) Programmübersicht
Freitag, 10. Januar 2003, 20 Uhr
Confucian Blues Sola Hard Liu Sola (Komposition und Gesang), Amina C. Myers (Klavier), Fernando Saunders (Bass), Pheeroan Aklaff (Schlagzeug), Li Zhengui (Perkussion), Yang Jing (Pipa), Yuan Sha (Zheng), Liang Heping (Synthesizer), Pu Hai (Perkussion), An Zhigang (Perkussion), Zhang Lie (Perkussion) Samstag, 11. Januar 2002, 20 Uhr
Confucian Blues Sola Soft Liu Sola (Komposition und Gesang) und Amina C. Myers (Klavier) mit Yang Jing (Pipa) Dienstag, 14. Januar, 20 Uhr Ensemble LART POUR LART spielt Werke von Jo Kondo, John Cage und Isang Yun Werkeinführung: Jo Kondo Astrid Schmeling (Flöten), Ariadne Daskalakis (Violine), Michael Schröder (Gitarre), Hartmut Leistritz (Klavier), Stefan Schäfer (Kontrabass), Matthias Kaul (Perkussion), Norma Enns (Sopran) Donnerstag, 16. Januar 2003, 20 Uhr
Klänge in Freiheit setzen Yoko Nishi und das Ensemble N_ER spielen Werke von Yûji Takahashi und John Cage Paulo Alvares (Klavier), Vincent Royer (Viola), Matthias Kaul (Perkussion), Gene Coleman (Bassklarinette), Krassimir Sterev (Akkordeon) Freitag, 24. Januar 2003, 12 bis 22 Uhr
Neue Musik und Globalisierung Konferenz mit: Hamza Walker (Chicago), John Corbett (Chicago), Sachiko Matsubara (Tokio), Christian Utz (Wien), Carl Stone (Tokio/San Francisco), Min Xiao Fen (New York), Yumiko Tanaka (Tokio), Gene Coleman (Chicago) Samstag, 25. Januar 2003, 20 Uhr
Konstruktive Interferenzen Carl Stone, Min Xiao-Fen und Yumiko Tanaka spielen Werke von Carl Stone Carl Stone (Komposition und Laptop), Min Xiao-Fen (Pipa), Yumiko Tanaka (Japan) Bass-Shamisen Mittwoch, 29. Januar 2003, 20 Uhr
The Four Elements Gene Coleman und Yoshihide Otomo Ko Ishikawa (Shô) Aya Motohashi (Hichiriki) Takeshi Sasamoto (Ryuteki) Xasax Saxophone Quartet:Serge Bertocchi, Jean-Michel Goury, Pierre-Stéphane Meugé, Marcus Weiss, Burkhard Stangl (Gitarre und Electronics) Gunter Schneider (Gitarre und Electronics) Rei Hotoda (Dirigentin), Gene Coleman (Sound-Projektion), Yoshihide Otomo (Gitarre, Turntables und Electronics), Sachiko M. (Sine Wave Sampler und Electronics) Donnerstag, 30. Januar 2003, 20 Uhr
The Combination of the Four Elements Yoshihide Otomo und Gene Coleman Ko Ishikawa (Shô), Aya Motohashi (Hichiriki), Sasamoto Takeshi (Ryuteki), XASAX Saxophone Quartet, Gene Coleman (Bassklarinette und Video-Projektion), Sachiko M. (Sine Wave Sampler und Electronics), Yoshihide Otomo (Gitarre und Turntables), Tom Denlinger (Video-Projektion), Rei Hotoda (Dirigentin)
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