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Iran
Entfernte Nähe
Neue Positionen iranischer Künstler
19.03.2004 19:00
09.05.2004
Identität, Islam, Moderne, Mythos, Tradition, Urbanität, Wahrnehmung
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Entfernte Nähe
Media Farzins Artikel über die Schwierigkeiten und Möglichkeiten einer iranischen Kunstausstellung in den USA auf www.theranavenue.com

ENTFERNTE NÄHE gibt zum ersten Mal in Deutschland einen ausführlichen Überblick über die aktuellen Positionen von Künstlern iranischer Abstammung, die zwischen Teheran, London, Paris, Berlin und den Metropolen der USA arbeiten. In diesem Netzwerk sind hoch interessante Werke entstanden, die zeigen, wie Kunst Geschichte, soziale und politische Umstände reflektiert. Die Künstler können sich dabei auf iranische Traditionen beziehen: Lebenserfahrungen in Gleichnisse fassen, in kraftvolle Symbole und Poesie. Grenzen und Restriktionen werden aufgezeigt und überschritten, Widersprüche und Paradoxa so platziert, dass sie die Unstimmigkeiten des Systems sichtbar machen. Die Resultate sind ebenso ausdruckstarke wie merkwürdige Werke, die Realität und Fiktion vermischen, um zu verwirren und Neues zu schaffen. Diese Impulse haben Künstler außerhalb des Landes als Herausforderung aufgenommen. Aber auch mitten im Geschehen schafft die künstlerische Sprache Distanz durch Ironie, Sarkasmus und Humor. Diese Spannung hat jene Reflexivität erzeugt, die wir Entfernte Nähe nennen.

Konzipiert wurde das Programm in enger Zusammenarbeit mit der in London ansässigen iranisch-libanesischen Kuratorin Rose Issa, einer der führenden Expertinnen für Bildende Kunst und Film des Nahen Ostens. Ihr kuratorischer Ansatz akzentuiert die spezifische künstlerische Sprache, die in Iran entwickelt wurde und innerhalb des internationalen iranischen Netzwerks eine noch größere Energie entfaltet. Diese Sprache ist einfach und treffend, bringt paradoxe Verhältnisse auf den Punkt. Sie bezieht sich auf persische Traditionen ? fasst Lebenserfahrungen in kraftvolle Symbole, vielschichtige Gleichnisse und Poesie. In unscheinbaren Zeichen des Alltags lässt sie große Lebensfragen aufscheinen, vermischt Realität und Fiktion, um zu verwirren und Neues zu schaffen. Obwohl emotional hoch engagiert, wahren die Künstler Zurüc-haltung, halten Abstand durch Ironie, Sarkasmus und auch Humor: Sie halten die Spannung einer "entfernten Nähe".

Unter den Künstlern sind große Namen wie Shirin Neshat, Siah Armajani, Parastou Forouhar, Abbas Kiarostami und viele andere, die internationale Aufmerksamkeit erregt haben. Es werden aber auch junge, hier noch unentdeckte Talente präsentiert wie die Rockband O-Hum aus Teheran. Bei jüngeren Künstlern in Auftrag gegebene Werke und neueste Theaterproduktionen vom diesjährigen Fadjr Theater Festival in Teheran verleihen dem Projekt zusätzliche Dynamik und reflektieren unmittelbar den Zustand Irans.

Die Ausstellung ENTFERNTE NÄHE zeigt aktuelle Positionen von 18 iranischen Künstlern, von denen einige mit ihren Fotografien, Videoarbeiten, Installationen und Filmen bereits ein großes internationales Echo gefunden haben. Mit Werken, darunter zahlreiche Auftragsarbeiten, von Abbas, Siah Armajani, Sharham Entekhabi, Parastou Forouhar, Shadi Ghadirian, Ghazel, Kaveh Golestan, Abbas Kiarostami, Khosrow Hassan Zadeh, Ali Mahdavi, Mehran Mohajer, Farhad Moshiri, Shirin Neshat, Marjane Satrapi, SHARZAD, Farkhondeh Shahroudi, Mitra Tabrizian.

Die Filmreihe mit dem Fokus Real Fiction zeigt neue filmische Ansätze von jungen Talenten und Werke internationaler Regiestars aus Iran und zeichnet die Entwicklung der iranischen Kinoästhetik nach. Sie konzentriert sich dabei auf fünf Aspekte: Reale Fiktionen widmet sich Grenz-über-schrei-tungen zwischen Doku-mentar- und Spielfilm, The Making of... reflektiert das Medium in seiner Herstellung anhand zweier Filmemacher-Generationen, Ent-fremdung fokussiert die Polarisierungen der iranischen Gesellschaft, die zu einer Art Schizophrenie des Alltags führen. Dokumentationen zeigt Höhepunkte des Dokumentarfilmschaffens und Private and Popular präsen-tiert Filme, die in Iran kommerziell sehr erfolgreich, außerhalb des Landes aber nahezu unbekannt sind.

Das Musikprogramm stellt die Frage nach der produktiven Spannung zwischen lokaler Tradition und globalen Entwicklungen. So kommen die größten iranischen Musikstars aus den USA und Europa ebenso wie aus in Iran. Daneben entsteht zur Zeit in den iranischen Großstädten nach langem Schweigen eine neue junge Musikszene. Rock, Pop, und Jazz werden gespielt und gesungen, produ-ziert und gehört ? nur getanzt noch nicht, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Das Musikprogramm zu ENTFERNTE NÄHE wird sowohl klassische persische Musik, als auch Fusion zwischen Sufi und Rock, Jazz und persische Volksmusik präsentieren.

Das Theaterprogramm trägt dem Phänomen Rechnung, dass Iran einen Boom in der Theaterszene erlebt. Das zentrale Forum für diese Entwicklung ist das Fadjr Theaterfestival. In den vergangenen Jahren wurden hier insbesondere kritische und radikal-ästhetische Arbeiten ausgezeichnet, so dass Theater zu einer führenden Kunstform des kritischen Kultur-prozesses in Iran geworden ist. Auf dem Fadjr-Festival im Februar werden drei aktuelle Produk-tionen für Berlin ausgewählt, die für die neue iranische Bühnenästhetik stehen.

Literatur genießt in Iran einen hohen Stellenwert. Ausgehend von den jahrhundertealten Traditionen persischer Poesie eines Rumi oder Hafis hat sich im 20. Jahrhundert eine eigene Sprache literarischer Moderne auch in der Prosa entwickelt. Das Literaturprogramm wird zeigen, wie iranische Autoren Fragen ihrer gesellschaftlichen Realität magisch-realistisch, surreal oder detailliert sozialkritisch reflektieren.

Im Konferenzprogramm Framing werden Kuratoren, Experten und Künstler Probleme und Strategien der Präsentation und Repräsentation von (außereuropäischen) Kulturen diskutieren, auch am Beispiel des Projekts ENTFERNTE NÄHE und der Arbeit des Hauses der Kulturen der Welt.

Das Medium Film, in dem entsprechend der extrem jungen Bevölkerung Irans immer mehr junge Regisseure reüssieren, wird im Jugendprogramm in Form einer Videowerkstatt und daran anschließenden Workshops zur bildenden Kunst eine zentrale Rolle spielen. Iranische Künstler und Regisseure werden dabei Verbindungen zur Lebenssituation junger Menschen in Deutschland herstellen.