Githa Hariharan wurde 1954 im südindischen Coimbatore geboren. Sie studierte englische Literatur in Manila und Mumbai/Bombay und Journalismus an der Fairfield University, Connecticut (USA). Hariharan lebt und arbeitet als Schriftstellerin, Kritikerin und freie Lektorin in Delhi. Ihr erster Roman The Thousand Faces of Night (1992), der die Lebensgeschichten dreier Frauen aus dem südindischen Chennai/Madras einander gegenüberstellt, wurde mit dem Commonwealth Writers Prize ausgezeichnet. Githa Hariharans Werke wurden in mehrere europäische Sprachen übertragen, Übersetzungen ins Deutsche stehen aus. Ihre Essays und Erzählungen sind in zahlreiche Anthologien aufgenommen worden, darunter in den von Salman Rushdie zur Fünfzigjahrfeier der Unabhängigkeit Indiens herausgegebenen Sammelband indoenglischer Literatur The Vintage Book of Indian Writing 1947-1997. Githa Hariharan wird aus ihrem gerade erschienenen Roman In Times of Siege lesen. Shiv Murthy ist Dozent für Geschichte an einer Universität in New Delhi. Er führt das angenehme Leben eines Hochschullehrers, das aus Institutsbesprechungen, Semesterwochenstunden und einer halbherzigen Affäre mit einer Kollegin besteht. Aber es dauert nicht lange bis unerwartete Veränderungen in dieses Leben einbrechen. Hindu-Fanatiker attackieren seine Studien über Basava, den reformorientierten Dichter aus dem 12. Jahrhundert. Von einem Moment auf den anderen befindet sich der Fundamentalismus vor Shivs Haustür. Shiv entdeckt, dass sich die Ideen über Geschichte, Nation und Patriotismus, die er ererbt hat, immer mehr in Luft auflösen. Er gerät in eine Zeit des Belagerungszustandes. Shiv ist Historiker, der Konflikt, dem er ausgesetzt ist, entzündet sich an einer historischen Figur. The Hindu befragte Githa Hariharan nach diesem besonderen Fokus. History is a contested area and is used for gaining present political ends whether in South Africa, Germany or India. (..) For all of us history is a tool to understand ourselves and our times. Yes, we may know that under a mosque there's a temple, but the problem begins when they come up with an authorised official version of the past in its entirety, seeking a range of censorship rights. We had this glorious pure golden Hindu age, and then the outsiders-foreigners-minorities came and mixed things up. History is then distorted to paint a false monolithic picture, for power mongering. (
) It's also important to remember that the same people who are willing to cede economic space, to give it away to MNCs (Multi-National Corporations) to make India a window display of products, also claim they are cultural nationalists. They are patriotic with a whitewashed view of a single, continuous, homogenous Hindu past, as if we haven't always had different levels or contesting traditions. Paul Zacharia, geboren 1945 in Kottayam, Kerala, schreibt auf Malayalam, der Sprache dieser Region. Sein ironischer Ton, seine innovativen Schreibtechniken sowie seine provokante, kritische Sicht auf reaktionäre Kräfte in der Gesellschaft haben ihn zu einer öffentlichen Person gemacht. Die Kolumnen, die Zacharia als politischer Kommentator verfasst, enden meist in einer Kontroverse. Seine Werke sind ins Englische und in zahlreiche andere Sprachen übersetzt. Paul Zacharia wird seine kurze Geschichte Some Mechanical Inventions for The Benefit of Mankind (1999) vorstellen. Mit Ironie und Humor macht sich Zacharia in diesem Text Gedanken über den schwindenden Erfindergeist, der sich in der indischen Gesellschaft seit einiger Zeit bemerkbar mache. Dabei gelte die Kraft zur Innovation als eine der wertvollsten Eigenschaften einer fortschrittlichen Nation. Die Erfindung sei ein Dienst gegenüber der Nation, den zu erbringen jeder dazu befähigte Patriot schuldig sei. Zacharia fällt es als pflichtbewusstem Staatsbürger nicht schwer, seinen Beitrag zu leisten. Seine Erfindungen erweisen sich als besonders nützlich. Zacharia schlägt vor: einen Blitzableiter zum Ableiten von Rachegefühlen, eine Mondscheinmaschine für Liebespaare und eine Maschine, die Vögel von Staatsmonumenten vertreibt. In einem Interview mit rediff.com spricht Zacharia über seine Sicht auf das Nationenbewusstsein in Indien: In fifty years, many people have created miracles. But we are not able to. (
) Why isnt anybody working for a stronger and more prosperous nation that Gandhi spoke of? Because there really is no nation. The Indian citizen is not committed to a nation except when they have a stupid cricket match with Pakistan. You also talk about a nation when you have a war with China. Rest of the time, each Indian citizen is tied to himself. That is why I said, the concept of nationhood is fundamentally flawed somewhere. Urvashi Butalia wurde 1952 in Ambala, Punjab, geboren. Butalia war lange Zeit in der indischen Frauenbewegung aktiv, bevor sie 1984 zusammen mit Ritu Menon Kali for Women gründete. Kali for Women hat sich seither einen Namen gemacht als das indische Forum für Literatur von Frauen. Wissenschaftliche Publikationen, Biografien und Romane werden hier genauso publiziert wie Handbücher für Aktivistinnen. Der Verlag, der jedes Jahr 12 Titel herausbringt, bemüht sich zudem bewusst um Autorinnen, die in den selten publizierten indischen Regionalsprachen schreiben.
Butalia wird einen autobiografischen Text aus The Other Side of Silence - Voices from the Partition of India (1998) lesen. Butalia stammt aus einer Familie von Teilungsflüchtlingen. Beide Eltern und ihre Familien siedelten 1947 aus Lahore, einer Stadt, die heute nur zwanzig Meilen jenseits der pakistanischen Grenze liegt, über ins indische Punjab. Zurück blieben die Großmutter und Butalias Onkel Rana. Vierzig Jahre nach der Teilung gelingt es Butalia, eine Reisegenehmigung nach Pakistan zu erhalten. Sie besucht Rana, der zum Islam konvertiert ist und eine Muslimin geheiratet hat. In The Other Side of Silence Voices from the Partition of India hat Butalia neben eigenen Erfahrungen die Erlebnisse anderer Zeitzeugen aufgezeichnet. Über die Arbeit an dem Buch sagt Butalia: I have had a long and abiding interest in oral history and in testimonies and narratives. This interest led me to work on the Partition of India with a special view to looking at the histories of women and children and people on the margins. I continue to work on this subject in the context of conflict and violence in different parts of India. Faustina Bama wurde 1958 in Puthupatti in Tamil Nadu geboren. Als Unberührbare/Dalit und Christin besuchte sie das College und wurde Nonne. Im Alter von 34 Jahren verließ sie das Kloster und zog damit die Anfeindungen sowohl der Kirche als auch ihrer nächsten Umgebung auf sich. In dieser schwierigen Zeit begann Bama, unter dem Titel Karukku ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Bama schrieb auf Tamil, der Sprache ihrer Region, und benutzte den Dialekt, der dort von den Unberührbaren gesprochen wird. Damit sorgte das Buch in der indischen Literaturszene für Aufsehen, denn es war eines der ersten, das in einem Dalit-Dialekt publiziert wurde. Bama lebt als Autorin und Lehrerin in einem Dorf in Tamil Nadu. Faustina Bama wird zwei Kapitel aus Karukku lesen, in denen sie von ihrer Schulzeit und vom Dorfleben erzählt. Die Erniedrigungen und die Gewalt, die das Kastendenken hervorruft, sind in ihren Schilderungen allgegenwärtig. Die unbeschreibliche Brutalität, die Bama und ihre Familie bei Zusammenstößen zwischen Kastengruppen und bei Polizeieinsätzen im Dorf erlebte, lässt sie bis heute nicht los. So befasst sie sich in ihrem neuesten Buchprojekt mit den gewalttätigen Kastenaufständen in Tamil Nadu, die in jüngster Zeit stark zugenommen haben.
In einem Interview mit outlookindia.com erklärt Faustina Bama zu Karukku: The story told in Karukku was not my story alone. It was the depiction of a collective trauma of my community whose length cannot be measured in time. I just tried to freeze it forever in one book so that there will be something physical to remind people of the atrocities committed on a section of society for ages. I could not build a monument, I could not build a sculpture. I wrote a book. And luckily it did not vanish into obscurity. My community thus found a place in the mainstream media. Their story had no place in Tamil history. It was never recorded. All that has changed. I am happy.
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