Eine Kultur, zumal eine lebendige, lässt sich nie erschöpfend beschreiben. Im Begleitband zum Projekt ENTFERNTE NÄHE haben wir dennoch versucht, einen tiefergehenden Blick auf Iran zu ermöglichen, auf die Diskurse, die seine Darstellung bestimmen, aber auch auf die Realität, wie sie die Menschen im Land erleben. Die "kontrollierte Schizophrenie", die die iranische Gesellschaft kennzeichnet, ist Bremklotz und Schmiermittel in einem. Einerseits zeigt sich eine allübergreifende Lähmung, wie das Beispiel der Parlamentswahlen vom Februar zeigt. Während Reformer und konservative Hardliner lautstark streiten, bleibt die Bevölkerung merkwürdig unberührt. Andererseits hat der Zustand der dauerhaften Repression eine faszinierende Kunst hervorgerufen, die auf immer neuen Schleichwegen versucht, Aussagen über die Realität zu machen, die von offizieller Seite unangreifbar sind und doch einen Stachel im System ? und in der oft schleierhaften Repräsentation im Westen darstellen. In diesem Dossier finden Sie vier ausgewählte Essays aus dem Buch zu ENTFERNTE NÄHE. Den Anfang macht Tirdad Zolghadr, der einen großen Bogen der Repräsentation schlägt, von den "Persern" des Äschylus bis zu "1979" von Christian Kracht. Dass die Zeit von der Revolution bis heute nicht ein mullah-kratisches Einerlei, sondern vielmehr historisch höchst differenziert ist, zeigt der Autor sidewalk@tehranavenue.com. Und Mahsa Sherkarloo erlaubt sich, ihr eigenes Leben und Erleben einer Gesellschaft zwischen staatsreligiöser Autorität und individueller Ethik mit einem Schuss (Selbst-)Ironie zu beschreiben. Daryush Shayegan schließt den Überblick ab mit einer philosophischen Intervention. Einerseits ist die kulturelle Komplexität, die sich hinter dem Wort"Iran" verbirgt, schier unermesslich, andererseits reibt sich die Gesellschaft an der Kluft zwischen historischer Größe und gegenwärtiger Ohnmacht auf.
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