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RASALÎLA - Spiel der Gefühle
Indische Virtuosen treffen aus das Ensemble Modern
Meera - Unorthodoxies
Meera - Unorthodoxies
08.10.2003
Globalisierung, Kommunikation, Moderne, Tradition
"Die Zukunft der Musik ist eine planetare"
Das Ensemble Modern - Ein Porträt
Nicht immer nur neue Klänge: Neue Zugänge zum Klang. Sechs Fragen an Ashok Ranade

Indien-Reisetagebuch von Wolfgang Stryi

Shubha Mudgal - Klassische Khyal-Sängerin und Popstar
Aneesh Pradhan - einer der hervorragendsten Tabla-Spieler Indiens
Dhruba Ghosh - brillanter Techniker und sensibler Virtuose auf der Sarangi
Die "Diaspora"-Komponisten - Klarenz Barlow, Param Vir, Naresh Sohal und Shirish Korde
Weitere Musiker und Komponisten - Aneesh Anandan und Uday Bhawalkar

Zu den Höhepunkten von RASALÎLA gehört die Aufführung des Live-Hörspiels "Meera - Unorthodoxies" nach dem Roman "Cuckold" (in deutscher Übersetzung: "Krishnas Schatten") von Kiran Nagarkar. "Meera" erzählt die Geschichte Meerabais, der populärsten Mystikerin Indiens. Sie lebte im 16. Jahrhundert und verließ Hof und Gatten, um in der Einsamkeit ihrem mystischen Liebhaber Krishna zu begegnen. Kiran Nagarkar liest aus seinem Werk; Shubha Mudgal und Aneesh Pradhan singen und spielen dazu eigene Kompositionen und Meera-Lieder.

KIRAN NAGARKAR

Der 1942 in Indien geborene und heute in Mumbai lebende Schriftsteller Kiran Nagarkar ist einer der wichtigsten Vertreter der indischen Gegenwartsliteratur. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Theaterstücke und Drehbücher und schreibt sowohl auf Marathi, der Hauptsprache des Bundesstaates Maharashtra, als auch auf Englisch.

Bereits mit seinem ersten, auf Marathi verfassten Roman „Saat Sakkam Trechalis“, der 1974 unter dem Titel „Seven Sixes are Forty-Three“ auch in englischer Übersetzung erschien, fand Nagarkar wegen seiner ungewöhnlich respektlosen Verbindung von Alltags- und Intellektuellensprache und seinem „nihilistischen Optimismus“große Beachtung.

Über Nagarkars folgende Werke schreibt die Literaturwissenschaftlerin Renate Bürner-Kotzam: Seine „Romane und Dramen fordern, das Selbstverständnis der eigenen multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft in der ständigen Erkundung des Spannungsfeldes von Tradition und Gegenwart zu suchen, wie das 1995 erschienene Theaterstück "Kabirache Kaya Karayache" über die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems von 1993 oder der Roman „Ravan & Eddie“ (1995), der die Freundschaft zwischen einem katholischen und einem hinduistischen Jungen in dem spannungsgeladenen Mikrokosmos eines typisch indischen Reihenhauses erzählt, in dem die einzelnen Etagen nach Religionszugehörigkeit bewohnt werden. Nagarkars schonungsloses Befragen überlieferter Wahrheiten und Konventionen, sein respektloser Umgang mit einer fragwürdigen Tradition provozierte den wiederholten Vorwurf der Blasphemie und führte zu einem 17 Jahre dauernden Verbot seines Theaterstücks 'Bedtime Story', einer Auseinandersetzung mit dem indischen Epos ‚Mahabharata’.“ (zit. nach: „Krishnas Schatten“, in: www.fruejahrsbuchwoche.de/2002/autoren02)

Für seinen Roman „Cuckold“, der 2002 unter dem Titel „Krishnas Schatten“ in deutscher Übersetzung erschien, erhielt Kiran Nagarkar im Jahr 2000 die höchste Auszeichnung der indischen Literaturwelt, den Sahitya Academy Award. Die ZEIT pries den Roman als „ein faszinierendes, ein brillantes Buch, ein gewaltiges Epos, das den Leser verschlingt ....“. (Gabriele Venzky, Literaturbeilage der ZEIT vom 12. Dezember 2002)

„Krishnas Schatten“ spielt im 16. Jahrhundert und erzählt die Geschichte eines Dreiecksverhältnises zwischen Mirabai, einer Prinzessin, die Hof und Gatten verließ, um in der Einsamkeit ihrem mystischen Liebhaber Krishna zu begegnen. Ihre Gedichte an Krishna sind intensiv glühende, fast erotische Texte – und inzwischen in Indien Volkslieder. Über ihren Gatten, den Kronprinzen, weiß man in Indien lediglich, dass es ihn gab: „He just became a void, a blank; a hiatus in history“, sagt Nagarkar über seinen Helden. „In diese Leerstelle springt Nagarkar, um einen wunderbar ambivalenten Helden zu erschaffen, der so machtbewusst wie nachdenklich, so zartfühlend wie grausam sein kann und mit der Gabe der Reflexion in einem Maße ausgestattet ist, das es dem Autor erlaubt, praktisch unbemerkt philosophische Exkurse über Musik, Kriegs- und Staatsführung, Frauen und Männer und andere letzte Dinge einzufügen.“ (Katharina Granzin, in: taz vom 29. Januar 2003).

Gemeinsam mit dem Autor haben der Tabla-Spieler Aneesh Pradhan und die Sängerin Shubha Mudgal aus der Geschichte das Live-Hörspiel „Meera – Unorthodoxies“ geschaffen – mit Meeraliedern und eigenen Kompositionen.


KIRAN NAGARKAR ÜBER DAS LIVE-HÖRSPIEL "MEERA - UNORTHODOXIES":

„Eines der zentralen Probleme, wenn man eine Heilige wird, ist, dass die Leute einen nicht mehr als real ansehen. Man wird herausgehoben und fern, ungreifbar und ätherisch. Seit Jahren aber wusste nun Shubha Mudgal, dass, wenn es eine indische Heilige gab, die menschlicher war als die meisten von uns, Meera diese Heilige war. Shubha wollte mit den Texten Meeras etwas anderes anfangen als es die traditionellen Bhajans tun, die überall im Land so populär sind. Ihr Projekt war, Meera in eine Frau aus Fleisch und Blut zurückzuverwandeln. Sie sollte eine Karma-Yogini sein, eine Asketin. Sie sollte sich ins Lied stürzen, wie sie sich in die Ektase stürzte, in die Wut, in die Liebe zu Gott, in den amour fou – in einem Gefühl von Selbstaufgabe und totalem Dasein.

Dann passierte etwas Merkwürdiges: Kiran Nagarkar schrieb seinen Roman ‚Krishnas Schatten’ aus demselben Antrieb heraus. Nur dass er Meeras Ehemann, den Thronfolger Prinz Bhojraj, von den Toten und Vergessenen zurückholen wollte. Bhojraj ist – in diesem Buch – einer der komplexesten Charaktere der zeitgenössischen Literatur. Er ist Krieger, Philosoph, Stratege, Staatsmann – ein Mann, der seiner Zeit weit voraus war. Shubha las ‚Krishnas Schatten’ und alles passte: Shubha und Kiran würden Meera und Bhojraj zum Leben erwecken.

Der Roman spielt zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Columbus hatte gerade Amerika entdeckt. In England hatte Heinrich VIII. soeben den Thron bestiegen. Indien war in viele unabhängige Königreiche geteilt. Eines der mächtigsten war das Rajput-Reich von Mewar. Sein Herrscher, Rana Sanga, hatte viele Rajputen und Moslem-Fürsten unter sich vereint. Zusammen kämpften sie auf dem Schlachtfeld von Khanua gegen den Moghul- Invasoren Babar – eine Schlacht, die das Schicksal Indiens entschied, bis die Briten das Land eroberten. An Rana Sangas Hof wurde Meera, die Prinzessin, die eine Dichter-Heilige werden sollte, verheiratet. Die meisten Liebesgeschichten laufen auf zwei Spuren: ihrer und seiner. Die Geschichte von Meera jedoch ist immer in Mono gelaufen. Eine zweifellos erstaunliche Story: Die liebeskranke Prinzessin behauptete, mit einem Gott verheiratet zu sein, dem großen Krishna in Person. Und ihr Ehemann, Prinz Bhojraj, der Thronfolger von Mewar? Nun was schon: Er wurde ein Nichts, eine Leerstelle, eine Windstille der Geschichte."


Kontakt: Gabriele Stiller-Kern stiller.kern@t-online.de