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RASALÎLA - Spiel der Gefühle
Indische Virtuosen treffen aus das Ensemble Modern
Die "Diaspora"-Komponisten - Klarenz Barlow, Param Vir, Naresh Sohal und Shirish Korde
08.10.2003
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Eine besondere Perspektive auf den musikalisch-interkulturellen Dialog eröffnen die Werke im Ausland lebender indischer Komponisten, die in der westlichen Musik zu Hause sind. Wie wichtig ist für sie die indische Musiktradition, welchen Einfluss hat sie auf ihre eigene ästhetische Position im Westen?
Eigens für RASALÎLA haben die Komponisten Klarenz Barlow, Param Vir, Naresh Sohal und Shirish Kordeneue Werke geschaffen.

KLARENZ BARLOW

Der Komponist Klarenz (eigentlich: Clarence) Barlow wurde 1945 in Kalkutta, Indien, geboren, wo er als Mitglieder der englischsprachigen und –stämmigen Minderheit aufwuchs. Trotz seines Geburtsortes wurde daher die westliche Kultur bestimmend für seinen musikalischen Werdegang. Schon 1949 begann er Klavier zu spielen; 1957 fing er an zu komponieren.

In den Jahren 1961 bis 1965 studierte Barlow Naturwissenschaften in Köln, kehrte dann nach Indien zurück und arbeitete hier von 1966 bis 1968 als Musiktheorie-Lehrer und Dirigent eines Madrigalchors sowie eines Jugendstreichorchesters. 1968 wieder in Köln, wurde er Mitglied der Kompositionsklasse Bernd Alois Zimmermanns und studierte nach dessen Tod bis 1973 bei Karlheinz Stockhausen. 1971 begann er, Computer für seine Kompositionen einzusetzen. 1973 übersiedelte er nochmals nach Indien, wo er zahlreiche Konzerte gab, Vorträge hielt und nordindische Gesangskunst studierte – die erste intensive Auseinandersetzung Barlows mit der traditionellen Kultur seiner Heimat. Seit 1975 lebt Barlow als freischaffender Komponist in Köln.

1980 erschien Barlows Buch „Bus Journey to Parametron“, in dem er das Ergebnis seiner langjährigen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Tonalität darlegt. Im gleichen Jahr wurde sein anhand der dort formulierten Theorien komponiertes hyperkomplexes Klavierstück „Çogluotobüsisletmesi“, für das er mit dem Kranichsteiner Musikpreis ausgezeichnet wurde, uraufgeführt. Ebenfalls 1980 erhielt Barlow den Kunstpreis der Stadt Köln. In den folgenden Jahren war Barlow neben seiner Lehrtätigkeit im In- und Ausland in den großen elektronischen Studios Europas und der USA tätig, darunter in Utrecht, Stockholm, Paris, Amsterdam, Chicago und Den Haag.

Barlow ist Mitbegründer der 1986 gegründeten „Initiative Musik und Informatik Köln“ (GIMIK), war 1988 musikalischer Leiter der XIV. Internationalen Computermusik-Konferenz in Köln und wurde 1990 zum künstlerischen Leiter des mittlerweile in Den Haag ansässigen Instituts für Sonologie berufen. Seit 1994 lehrt er dort als Professor für Komposition und Sonologie. 1995 wurde Klarenz Barlow Mitglied der Internationalen Akademie für Elektroakustische Musik Bourges.


PARAM VIR

Der Komponist Param Vir wurde 1952 in Delhi geboren. Als Kind erhielt er Tabla Unterricht, den er aber bald abbrach. Erst als er im Alter von neun Jahren begann, Klavier zu lernen, begeisterte er sich für Musik. Als 14jähriger fing er an zu komponieren und lernte den deutschen, damals in Delhi lebenden Komponisten Hans-Joachim Koellreutter kennen, der ihn in Kontrapunkt und Harmonielehre einführte und mit der Zwölftonmusik bekannt machte. Als Schüler einer katholischen Schule lernte er auch früh die westliche christliche Musik kennen.

Im Rückblick auf seine musikalische Ausbildung sagt Param Vir: „In der Bibliothek des Goethe-Instituts fand ich Schallplatten mit Karajans Symphoniekonzerten. Ragas, Talas, Kirchenmusik, Palestrina, Strauss, Zwölftonmusik und die geistlichen Modi der griechischen Musik trafen damals in der Seele eines Teenagers im postkolonialen Delhi zusammen. Es war eine unglaubliche Fülle von Einflüssen, die sich da zufällig miteinander verbanden und auf mich wirkten!“ (Zit. nach: Param Vir interviewd by Huw Rhys James, 1999)

Da er in Indien als Komponist keine Berufsperspektive sah, gab Param Vir sein Musikstudium am Ende seiner Schulzeit auf und studierte Geschichte und Philosophie an der Delhi University. Nach dem Abschluss seines Studiums (1974) kehrte er zur Musik zurück und arbeitete als Musiklehrer an einer Volksschule in Delhi, wo er außergewöhnliche Formen der Musikerziehung entwickelte. So studierte er z.B. mit seinen Schülern westliche Operetten und Musicals ein und 1979 gründete den „Music Theatre Workshop“ zur Förderung von Musiktheaterprojekten für Kinder aus Delhi.

1983 studierte er an der Dartington Summer School of Music / Devon Komposition bei Peter Maxwell Davies, Bernard Rands und Robert Saxton. Im selben Jahr begann Param Vir ein Studium in London bei dem Komponisten Oliver Knussen.

In Europa fanden Param Virs Werke sehr bald Anerkennung. 1985 erhielt er den Kompositionspreis der Guildhall School of Music; 1986 war er Fellow in Komposition am Tanglewood Music Center in Massachusets und bekam den Kucyna International Kompositionspreis in Boston, dem 1987 der Benjamin Birtten- und der Michael Tippet-Kompositionspreis folgten. 1988 ermöglichte das Homi Bhabha Fellowship, Bombay, die szenische Darstellung der mit dem „Music Theatre Workshop“ erarbeiteten Oper „Krishna“ in Delhi. 1989 studierte Param Vir Computermusik am IRCAM, Paris. Im selben Jahr wurde bei den Donaueschinger Musiktagen sein Werk „Brahma, Vishnu, Shiva“ für sechs Solostimmen (1988) uraufgeführt. Seit Herbst 1992 lehrt Param Vir am Oberlin College in Oberlin, Ohio.

Internationale Anerkennung erlangte Param Vir durch seine 2 Opern „Snatched by the Gods“ und „Broken Strings“, die von Hans Werner Henze für die Münchner Biennale 1992 in Auftrag gegeben wurden. Dort wurde Param Vir mit dem Preis als bester Komponist ausgezeichnet.

Auf die Frage, ob er sich als einen indischen Komponisten und sein Werk als Teil der indischen Kultur begreife, antwortet Param Vir in einem Interview: „Die Welt von heute ist ein Treffpunkt divergierender Identitäten, Kulturen, Sprachen, Denkweisen und Ideologien – alles drängelt sich in einem erstaunlichen Tanz, dessen geheime Absicht noch enthüllt werden muss. Wir alle leben in einer Hall of Mirrors – und können den Zerrspiegel von Anderssein, von Differenz, nutzen, um uns selbst klarer zu sehen und zu größerer Selbsterkenntnis zu gelangen.“

(Quelle: „Komponisten der Gegenwart“, herausgegeben von Hanns-Werner Heister und Walter-Wolfgang Sparrer, edition text und kritik, München)


NARESH SOHAL

Der Komponist Naresh Sohal wurde 1939 im Punjab, Nordindien, geboren und ging 1962 nach Großbritannien, um dort westliche Musik zu studieren. Er war einer der ersten indischen Komponisten, die sich ganz der westlichen Musik widmeten. Seither hat er viele Werke komponiert, die von renommierten Orchestern und bekannten Dirigenten aufgeführt wurden, so z. B. von den New Yorker Philharmonikern unter Zubin Mehta und dem BBC Symphony Orchestra unter Sir Andrew Davis. Sohals Schaffen umfasst nicht nur Orchesterwerke, sondern auch Kammermusik, Chorwerke sowie zwei Kammeropern und ein Ballett.


SHRISH KORDE

Der Komponist Shirish Korde stammt aus einer indischen Familie, wuchs in Uganda auf und studierte zunächst Jazz und Komposition am Berkley College of Music, später am New England Conservatory. Von 1973 bis 1976 studierte er Ethnomusikologie mit den Schwerpunkten Indien und Afrika an der Brown University auf Rhode Island.

Shirish Kordes Kompositionen zeichnen sich vor allem durch die Integration und Synthese verschiedenster musikalischer Stile zu hochkomplexen, ausdrucksstarker Schichten aus. Er ist einer der wenigen zeitgenössischen Komponisten, die sich gleichermaßen intensiv mit außereuropäischen Musikkulturen auseinandergesetzt haben, mit Jazz und Computertechnologie.

Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Tenderness of Cranes“, „Time Grids“, „Constellations for Saxophone Quartet“, „The Chamber Concerto“ und „Drowned Woman of the Sky“. Er komponierte fünf große Musiktheaterstücke: „Chitra“, „Rasa“, „Bhima’s Journey“, „The Separate Prison“, eine Jazz Oper, und „The Conquistadors. All diese Stücke sind durch starke Einflüsse musikalischer und dramatischer Formen aus Asien gekennzeichnet, besonders der balinesischen Gamelanmusik, nordindischem Tala, japanischer Shakuhachi Musik, Jazz und dem Gebrauch von Computern. Zusäztlich zu seinen klassischen Werken komponierte er verschiedene Werke für Jazz Ensemble, darunter die Jazzoper „The Separate Prison“ für Schauspieler, Sänger und Jazzquintett sowie die „Jazz Songs“ für Jazzsänger und kleines Ensemble basierend auf Texten von Langston Hughes, Maya Angelou und Alice Walker.

Shirish Korde ist Professor und Leiter des Music Departments am Holy Cross College in Massachusetts.



Kontakt: Gabriele Stiller-Kern stiller.kern@t-online.de

Audio Shirish Korde: "Tenderness of Cranes" (Ausschnitt)
Audio Klarenz Barlow: "Ludus Ragalis", Präludium 6 (Ausschnitt)
Audio Naresh Sohal: "Shades IV" (Ausschnitt)