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DisORIENTation
Zeitgenössische arabische Künstler aus dem Nahen Osten
27.02.2003
24.07.2003
Erinnerung, Gewalt, Identität, Intifada, Konflikt, Wüste
Bildergalerie
Schreiben als Autobiografie der Seele oder Ist Schreiben eine angemessene Alternative zur Verzweiflung
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Wege durch Literatur und Exil
Erwägungen zur Musik des Orients
Blick in eine andere Zukunft
DisORIENTation – ein Tagebuch: Teil 1
DisORIENTation – ein Tagebuch: Teil 2
Seltene und ungewöhnliche Perspektiven auf zeitgenössische arabische Kunst und Kultur des Nahen Ostens eröffnet das Dossier zur Veranstaltungsreihe „DisORIENTation“. Denn erstmals werden hier umfassend arabische Positionen zu Literatur, Musik, Theater und Kunst zur Diskussion gestellt. Autoren reflektieren die Notwendigkeit des Schreibens in einer Gesellschaft, die entweder zwischen Tradition und Moderne aufgerieben wird oder vom Bürgerkrieg zerrüttet ist. Toufic Kerbage schreibt über musikalische Vielfalt im Nahen Osten einerseits und die Gefahr des Verlustes uralter Traditionen andererseits. Zensur, mangelnde staatliche Subventionen und religiöser Fundamentalismus: mit diesen Problemen setzt sich der Theatermacher Tarek Abou El-Fetouh auseinander. Abschließend entwirft Jack Persekian in seinem zweiteiligen Reisetagebuch ein eindrückliches Bild von der Kunstszene im Nahen Osten.
Diese Essays sind dem gleichnamigen Katalog „DisORIENTation. Zeitgenössische arabische Künstler aus dem Nahen Osten“ entnommen, der neben zahlreichen Abbildungen auch Beiträge von beispielsweise Elias Khoury und Abbas Bedyoun enthält. Die Publikation ist sowohl im Museumsshop des Hauses der Kulturen der Welt erhältlich als auch über Buchhandlungen zu beziehen.

Mit dem Projekt DisORIENTation stellt das Haus der Kulturen der Welt die junge arabische Kunstszene des Nahen Ostens erstmals umfassend in Deutschland vor. Die Region, die durch den Palästina-Konflikt und die Irak-Krise im Zentrum der weltpolitischen Aufmerksamkeit steht, hat seit den Neunzigerjahren eine Kunstszene hervorgebracht, die international zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es sind Filmemacher, Musiker, bildende Künstler, Schriftsteller, Performer und Architekten, deren radikale Positionen die äußerst komplexen Lebens- und Arbeitssituationen in der Region reflektieren. DisORIENTation konzentriert sich dabei auf die Kunstszenen in Ägypten, Palästina, Syrien, Jordanien, im Libanon und Irak, ohne diese vollständig repräsentieren zu wollen. Es sind die individuellen Werke, die für sich stehen.

Verständlich wird dies vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Zuspitzung in der Region. Die Konfliktlinien zwischen lokalen Traditionen und Globalisierung, zwischen Liberalismus und gesellschaftlichem Konservatismus, zwischen religiösen und ethnischen Gruppen verlaufen nicht so eindeutig wie in der Berichterstattung allzu oft dargestellt. So wie der libanesische Bürgerkrieg nicht auf einen islamisch-christlichen Konflikt zu reduzieren ist – die Fronten wechselten zwischen allen Parteien, Christen und Christen, Moslems und Moslems –, so können wir heute die Region nicht auf islamische, arabische, auf nationale oder ethnische Zuschreibungen festlegen. Die Künstler und Kuratoren kommen aus moslemischen oder christlichen Familien, beziehen sich auf den kosmopolitischen Lebensraum der Metropolen und bewegen sich zwischen internationalen Kunstszenen und eindeutig regionalen Positionen. In ihren Arbeiten emanzipieren sie sich ebenso von lokalen gesellschaftlichen oder politischen Restriktionen wie sie Position beziehen gegen ihre Orientalisierung durch den Westen. In diesem sensiblen Territorium von Begegnungen und Abgrenzungen ist DisORIENTation entstanden.

Mit dem Palästina-Konflikt und der Irak-Krise ist die Region zudem Kampfzone weltpolitischer Machtverhältnisse geworden. Die Herausforderung an den Westen liegt vor allem darin, die Verhaltensmuster im Umgang mit anderen Kulturen zu überdenken und neu zu erfinden. Nur in der differenzierten Wahrnehmung und in der Auflösung vereinfachender Klischees wird eine dauerhafte und produktive Kommunikation, ein respektvoller Umgang miteinander möglich. DisORIENTation versteht sich hier als experimentelles Forum, das der differenzierenden Begegnung Raum gibt.

Unser Dank gilt den Kuratoren Jack Persekian (bildende Kunst), Omar Amiralay (Film), Tarek Abou El Fetouh und Omar Rajeh (Performing Arts).

Hans-Georg Knopp und Johannes Odenthal